Montag, 28. März 2011

Kurze Geschichte des Buchdrucks (3): Gutenbergs Meisterstück

Im Mittelpunkt des letzten Teils dieser 'kurzen Geschichte des Buchdrucks' stand die historische Figur des Mainzer Goldschmieds Johannes Gutenberg und seine durch die Erfindung des Buchdrucks ausgelöste medientechnische Revolution. Allerdings ist es vor allen Dingen auch einer einzelnen, besonders waghalsigen Unternehmung Gutenbergs zuzuschreiben, dass der Buchdruck tatsächlich den Siegeszug antreten konnte, mit dem er die geschichtliche Entwicklung ein für allemal verändert hat: Gutenbergs 42-zeilige Prachtbibel - Ein Monumentalprojekt.

Das Projekt, das Gutenbergs Druckkunst schließlich zum großen Durchbruch verhelfen sollte, war seine Vision einer großformatigen, lateinischen Bibel, die sich in ihrer Qualität nicht nur mit den in aufwändiger Handarbeit erstellten Prachtbibeln vergleichen, sondern diese sogar noch übertreffen sollte. Dabei sollte die Bibel in der für die damalige Zeit enormen Auflage von gut 200 Bänden - 150 Exemplare in günstigerem Papierdruck und 35 auf feinem Pergament - entstehen. Der geplante Umfang war schlichtweg gigantisch. Die geplante Bibel umfasste 1.282 Seiten mit jeweils 42 Zeilen, insgesamt also etwa 3,5 Millionen Buchstaben. Für die Herstellung aller Exemplare benötigte Gutenberg trotz seiner bahnbrechenden und effizienten Technik annähernd drei Jahre. Vier bis sechs Setzer arbeiteten parallel am Satz der einzelnen Druckbögen, zwölf Drucker zusammen mit einigen Hilfskräften übernahmen die eigentliche, kürzere Druckarbeit, die an sechs Druckerpressen von Statten ging. Die Setzer arbeiteten mit 290 verschiedenen Zeichen und die Tagesleistung eines Setzers entsprach jeweils einer zweispaltigen Seite der 42-zeiligen Bibel (die daher auch als B42 bezeichnet wird).

Die Produktion dieses Prachtwerks verschlang nahezu 100.000 Drucktypen, 48.000 Papierbögen a 16 Seiten und für die Pergamentausgaben die Häute von 3.200 Tieren. Insgesamt waren 230.760 Arbeitsgänge an der Druckerpresse notwendig, was im günstigsten Fall 330 Tage erforderte. Allerdings war damals durch die große Anzahl an Feiertagen die Zahl der Arbeitstage auf 200 pro Jahr beschränkt. Anschließend erhielten die mechanisch erstellten Bände noch manuell aufwändig von Illuminatoren und Rubrikatoren ausgestaltete Initialen und Satzanfänge.

Benötigte ein Schreiber zur Abschrift einer kompletten Bibel etwa drei Jahre, konnte Gutenberg in derselben Zeit fast 200 Exemplare produzieren. Im Vergleich zu traditionellen Handwerkern waren Gutenbergs speziell ausgebildeten Arbeitskräfte sehr teuer und das bereitzustellende Rohmaterial kostete ein Vermögen, das Gutenberg alleine nicht in der Lage war aufzubringen. So musste er für die aus Italien importierten Papierbögen (in Deutschland konnten zu diese noch nicht in ausreichender Zahl und Qualität produziert werden) 600 Gulden und für das Pergament etwa 400 Gulden auslegen, so dass er sich zunächst bei einem Verwandten und anschließend mit gut 1.000 Gulden bei seinem kapitalkräftigen Geschäftspartner Johannes Fust verschuldete.

Für den Kredit waren selbstverständlich Sicherheiten zu hinterlegen und so setzte Gutenberg den Grundstock seines gesamten Unternehmens - Druckerpressen und Setzkästen - als Pfand ein. Zwar konnte Gutenberg sein Bibel-Projekt im Jahre 1454 erfolgreich beenden, doch trotz eines sehr zügigen Absatzes der prachtvollen Bibeln, die zudem etwa 75 % preiswerter angeboten werden konnten als traditionell gefertigte, kalligrafische Werke, konnte er den angesammelten Schuldenberg von über 2.000 Gulden (was etwa dem Gegenwert von vier Mainzer Stadthäusern entsprach) nicht zurückzahlen. Es kam zum Prozess und Gutenberg verlor sein Hab und Gut. Johannes Fust übernahm den Betrieb und Gutenberg sollte anschließend nie wieder in der Lage sein, sich in geordnete Verhältnisse zu bringen. 1468 starb Gutenberg in Mainz.

"Anno Domini 1468 uf Sankt-Blasius-Tag starb der ehrsam Meister Henne Gensfleisch, dem Gott gnade."
Beerdigt wurde Gutenberg in der Mainzer Franziskanerkirche, die nach zahlreichen Umbauten im 18. Jahrhundert abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde. Sein Grab ist nicht mehr auffindbar. Dafür existieren heute von den knapp 200 Exemplaren seiner Prachtbibel noch ganze 49, die aber teilweise nur noch einbändig bzw. in Fragmenten vorliegen.

[Weiter geht es hier demnächst mit Teil 4: Der Buchdruck macht Geschichte]
Weitere Beiträge zur Mediengeschichte im Biblionomicon:


Bibliografische Links:

Donnerstag, 10. März 2011

Segen und Fluch einer Fortsetzung - Gordon Dahlquist 'Das Dunkelbuch'

Wie der Titel schon vermuten lässt, geht es diesmal um eine Romanfortsetzung und die sich daraus für mich ergebenden Überlegungen über Sinn und Unsinn von Fortsetzungen im Allgemeinen sowie im Speziellen. Doch alles der Reihe nach (sic!). Im Jahr 2008 brillierte der amerikanische Bühnenautor und -regisseur Gordon Dahlquist mit seinem Erstlingswerk "Die Glasbücher der Traumfresser" mit einer Art Steampunk-Persiflage auf den Abenteuer-Fantasy-Groschenroman der viktorianischen Ära (hier im Biblionomicon besprochen). Irgendwie hatte man nach diesem fulminanten Auftakt der Geschichte das Gefühl, dass diese noch nicht ganz zu Ende erzählt worden wäre...

... und prompt hat der Autor mit dem 'Dunkelbuch' eine Fortsetzung vorgelegt, die sich allerdings etwas schwer tut, die Latte, die mit dem ersten Band der Geschichte recht hoch gelegt wurde, wieder zu erreichen. Um eines schon einmal vorweg zu nehmen:
Lesen Sie das Buch auf gar keinen Fall, wenn Sie den ersten Band nicht gelesen haben! Sollte Ihnen der erste Band nicht gefallen haben, wird Ihnen der zweite mit absoluter Sicherheit erst recht nicht gefallen!
Gordon Dahlquist hat eine fiktive Welt des 19. Jahrhunderts geschaffen, die sich unter dem Begriff "Steam-Punk" ganz gut zusammenfassen lässt. Abgrundtief böse und durchtriebene Schurken, Geheimgesellschaften, latent verborgene Sexualität und viktorianische Prüderie, kombiniert mit Versatzstücken aus Kriminalroman, Fantasy-Erzählung, Science Fiction und Schnitzeljagd. Der Plot der Fortsetzung setzt nahtlos an die vorangegangene Geschichte an. Eine Geheimgesellschaft schickt sich an, die Fäden der Macht in England und dem europäischen Ausland (warum ausgerechnet Mecklenburg?!?) an sich zu reisen. Dies gelingt durch eine bahnbrechende Erfindung/Entdeckung: Die Glasbücher. Gebrannt aus einem speziellen raren Indigo-Lehm haben diese "Bücher" die unglaubliche Eigenschaft, Erinnerungen, Gedanken und Gefühle eines Menschen aufzuzeichnen und durch bloße Berührung wiederzugeben. Auf dem Weg, ihre Macht in Richtung Kontinentaleuropa auszubreiten, stürzt das Luftschiff der Verschwörer am Ende des ersten Bandes in die See und nur die Helden unserer Geschichte scheinen sich gerade noch ans sichere Ufer retten zu können.

Aber weit gefehlt. Die ursprünglichen Feinde sind nicht alle ums Leben gekommen und versuchen ihre Verschwörung dennoch fortzusetzen. Wir treffen fast alle Protagonisten des ersten Bandes wieder und setzen von Neuem zu einer atemberaubenden Schnitzeljagd an. Beim titelgebenden "Dunkelbuch" handelt es sich aber um ein ganz spezielles Glasbuch: Es enthält die letzten Erinnerungen des sterbenden Erfinder und Schöpfer der bahnbrechenden Glasbuchtechnologie, aufgezeichnet im Augenblick des Todes. Derjenige, der sich diese Technologie zu eigen machen möchte, indem er das Dunkelbuch "liest", nimmt damit aber auch den Schatten des Todes und des nahenden Verfalls mit in sich auf. Klingt wie eine ganz schlimme Räuberpistole, ist es aber auch.

Gordon Dahlquist liefert rein handwerklich ein solides Stück Unterhaltungsliteratur ab, wobei die wechselnden Erzählperspektiven ebenso wie im ersten Band einen Großteil des Reizes der Geschichte ausmachen. Allerdings hat man das Gefühl, es will ihm nicht so recht gelingen, der Geschichte und seinen Figuren auch tatsächlich noch neue Seiten abzugewinnen. So wird aus dem "Dunkelbuch" tatsächlich eine zweitklassige Fortsetzung der ursprünglich skurilen Geschichte mit Wiederholungen und zwischenzeitlichen Längen. Schlägt man die letzte Seite um und schließt den Buchdeckel, stellt sich irgendwie ein leeres Gefühl ein und man fragt sich, ob es den ganzen Aufwand wirklich wert war.

Aber die Fortsetzung einer erfolgreichen Geschichte an sich birgt ja schon immer die Gefahr des Scheiterns. Die Erwartungen sind meist einfach viel zu hoch gesteckt. Jetzt kann der geneigte Leser gerne auch Goethes "Faust 2" zitieren, der ja nun wirklich nur etwas für die eingefleischten Goethe-Afficionados oder auch aufgesetzten Bildungsbürgertümler ist. Ich glaube, Goethe war sich schon bewusst, dass sein überaus erfolgreicher erster Teil nur schwer zu überbieten war. Darum hat er sich wohl aber auch zwischen den beiden Dramen über 30 Jahre Zeit gelassen.

Fazit: Eine turbulent-skurile Fortsetzungsgeschichte nur für wirkliche Liebhaber des ersten Teils geeignet, zu lesen auf eigene Verantwortung und am Besten mit nicht allzu hoch gesteckten Erwartungen.


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