Samstag, 26. Februar 2011

Fremd ist der Fremde nur in der Fremde - José Saramago "Die Reise des Elefanten"

Wieviele Inder gab es wohl im 16. Jahrhundert in Europa? Oder besser noch die Frage, wieviele indische Elefanten gab es wohl im Europa der Renaissance. Die Antwort lautet wohl KEINE ... oder allerhöchstens einige wenige, wenn überhaupt. Nun, EINEN Elefanten samt Mahut (denn nur mit einem Mahut ist der indische Nutz-Elefant komplett) gab es anscheinend nachweislich wirklich. Und ebendieser eine Elefant und sein Mahut zogen im Jahre 1551 als Geschenk des portugiesischen Königs an den zukünftigen Kaiser von Lissabon aus nach Wien...

Dies ist in wenigen Worten zusammengefasst die Geschichte, die der im vergangene Jahr verstorbene portugiesische Altmeister der Erzählkunst und Literaturnobelpreisträger in seinem Buch "Die Reise des Elefanten" erzählt. König Johann der III. von Portugal sucht ein Geschenk für den Erzherzog Maximilian von Österreich, der sich gerade im spanischen Valladolid aufhält, und erinnert sich dabei an den Elefanten Salomon und seinen Mahut Subhro. Das exotische Tier fristet ein trostloses Dasein am königlichen Hofe, da er nicht zur Arbeit eingesetzt wird und seit 2 Jahren nutzlos dahinvegetiert. Also beschließt man, den Elefanten auf die Reise zu schicken. Zuerst zusammen mit einer Abordnung der portugiesischen Armee in Richtung spanische Grenze, damit ihn dort die Soldaten Maximilians in Empfang nehmen können und weiter nach Valladolid bringen. Von dort aus dann soll er zusammen mit der kaiserlichen Entourage nach Wien verbracht werden. Hört sich einfach an, ist es aber nicht.
"Lässt man der Zeit nur Zeit, werden alle Dinge des Universums sich ineinanderfügen" (Seite 17)
Und so begeben sich Salomon und Subhro auf ihre abenteuerliche Reise. Natürlich ruft Salomon allenortes Erstaunen hervor, denn wer hat in Europa schon im 16. Jahrhundert von der Existenz eines Elefantens gehört geschweige denn einen gesehen. So kommt es auch zu allerlei skurilen Szenen, angefangen von Teufelsaustreibungen bis hin zur Instrumentalisierung des Elefanten als katholisches Wunder und antiprotestantische Propaganda. Alles gipfelt in der gefährlichen Überquerung der Alpen und endet unspektakulär in Wien, wo sich die Spuren unserer Helden dann auch im Dunkel der Zeit verlieren.
"Die Vergangenheit ist eine riesige Steinwüste, die viele am liebsten wie auf einer Art Autobahn durchquerten, während andere geduldig von Stein zu Stein wandern und jeden einzelnen hochheben, weil sie wissen müssen, was sich darunter befindet." (Seite 31)
José Saramago schlägt beim Erzählen dieser unerhörten Geschichte eher die leisen Töne an und immer wieder schimmert nurmehr eine Art Altersweisheit durch die Zeilen. Mit einem leicht zwinkernden Auge tritt er immer wieder einen Schritt aus seiner Erzählung zurück und kommentiert die Vorkommnisse mit philosophischer Weitsicht. Dabei legt er großen Wert auf den Charakter seiner Figuren und die innere Entwicklung seines Helden Subhro.
"Wir müssen an dieser Stelle zugeben, dass der leicht ironische Ton, der sich auf diesen Seiten stets eingeschlichen hat, wenn von Österreich und seinen Bewohnern die Rede war, nicht nur aggressiv, sondern auch eindeutig ungerecht war..." (Seite 162)
Manchmal geraten seine Überlegungen zum Sinn des Lebens stellenweise etwas lang, andererseits rücken sie die Erzählung in die ihr angemessene Perspektive und verschaffen dem knappen Novellenstoff einen soliden Unterbau. Interessantes Indiz am Rande ist der wahrscheinlich gezielt laxe Umgang mit Satzzeichen. Über weite Stellen fehlen diese sogar vollständig und machen so dem Leser bewusst, dass das Lesen eines Textes üblicherweise vom Rhythmus der Interpunktion bestimmt wird. Fehlt diese fehlen dem Auge auch die Orientierungspunkte und man ist gezwungen, genauer hinzusehen. Erinnert hat mich die Geschichte sehr an Lawrence Norfolks fulminantes und weit unterschätztes Werk "Ein Nashorn für den Papst", in dem ebenfalls die Geschichte eines exotischen Tieres erzählt wird, das als Geschenk an den Hof eines Renaissance-Papstes gebracht werden soll. Das sollte ich unbedingt mal wieder lesen....

Fazit: Eine Novelle in ganz besonders leisen Tönen, die von einer unerhörten Begebenheit in einer fremden, vergangenen Zeit auf unterhaltsame Weise berichtet. Lesen!

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Samstag, 19. Februar 2011

Eine kurze Geschichte des Buchdrucks: (2) Gutenbergs (R)evolution

Im vorangegangenen Teil dieser kleinen Serie über die 'Geschichte des Buchdrucks' wurde zunächst ein Augenmerk auf die Zeit vor Gutenberg und seiner Revolution der Buchdruckkunst gelegt. Gutenberg war natürlich nicht der erste Mensch, der je ein Buch gedruckt hat. Die Geschichte der Drucktechnik reicht weit zurück bis in das erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung und startete im fernen Osten. Aber auch in Europa war die Technik des Holzschnitt-Drucks bereits vor Gutenberg in Gebrauch. Dieser Teil der Geschichte beleuchtet den zeitlichen Abschnitt während Gutenbergs Lebzeiten, des 15. Jahrhunderts, das zum Ausgangspunkt der wohl wichtigsten Entwicklung im Zuge der Menschheitsgeschichte werden sollte....

Die Entwicklung des Buchdrucks wird oft als initiales Ereignis gewertet, das den Menschen in eine Epoche der für jedermann zugänglichen und massenhaft verbreiteten Information führte. Seine Auswirkungen lassen sich kaum unterschätzen. So sahen es bereits die Zeitgenossen als ausgemachte Sensation, insbesondere die kirchlichen und weltlichen Machthaber, Information tausendfach und in Windeseile mit Hilfe der neuentwickelten Drucktechnik zu vervielfältigen.

Dem Kaumannssohn Johannes Gensfleisch zum Gutenberg (1397–1468), einem einfallsreichen Goldschmied, der den Hof zum Gutenberg in Mainz bewohnte, erfand ein neues Gießverfahren für bewegliche Lettern (Stempel) von hoher Präzision, das einen massenhaften Druck überhaupt erst ermöglichte. Ein sehr praktisches Folgeprodukt - also quasi die "Teflonpfanne" zu seiner epochalen Erfindung - stellt die dazu notwendige Normierung unserer Schrift dar, die heute oft übersehen wird. Gutenberg war seit 1434 nachweislich in Straßburg tätig, wo er bereits mit dem Typenguss und mit beweglichen Drucklettern experimentierte. Aus der Zeit davor gibt es nur wenige Quellen über ihn. Die Universität Erfurt rühmt sich der Immatrikulation eines ”Johannes de Alta villa“ für das Sommersemester 1418. Da Gutenberg nahe Verwandte in Eltville hatte und seine Familie aufgrund von Auseinandersetzungen mit den Mainzer Zünften die Heimatstadt mehrfach verlassen musste, geht man davon aus, dass er sich - wie damals üblich - unter seinem Vornamen, gefolgt von seinem Herkunftsort in das Matrikelbuch eingeschrieben hatte. Bekannt ist, dass er selbst auch als bücherkopierender Verlagsschreiberarbeitete, wobei er auch die sogenannten Blockbücher kennenlernte, die in einem einfachen, auf dem Holzschnitt beruhenden Stempelverfahren hergestellt wurden.

Allerdings erforderte die Produktion jeder einzelnen Seite eines Blockbuchs einen gewaltigen Aufwand und war daher der traditionellen Kalligrafie, die von ganzen Hundertschaften von Schreibern ausgeführt wurde, weit unterlegen. Hinter Gutenbergs bahnbrechender Entwicklung stand die einfache Idee, das Problem der mechanischen Vervielfältigung von Schriftgut mit Hilfe der Drucktechnik analytisch anzugehen, d.h. das Problem als Ganzes erst einmal auseinanderzunehmen in seine einzelnen Teile, um zu verstehen, dass alles, was der menschliche Geist mit Hilfe von Worten auszudrücken vermag, lediglich auf den 24 bekannten Buchstaben des lateinischen Alphabets und ein paar Satzzeichen beruht. Gutenbergs theoretische Lösung des Druckproblems bestand darin, gleichartige Stempel für Einzelzeichen in großer Zahl zu produzieren, die nach einer Drucklegung immer wieder für weitere Drucke verwendet werden konnten. Das wahrscheinlich schwierigste Problem, das er dabei zu lösen hatte, bestand darin, Druckstempel mit möglichst geringen Fertigungstoleranzen herzustellen. Bereits geringe Unterschiede in der Höhe der Drucktypen hatten zur Folge, dass einige Buchstaben stärker, andere nur recht schwach oder sogar überhaupt nicht auf der Druckseite erschienen. Da die Druckfläche vollkommen eben sein muss, müssen alle Drucktypen dieselbe Höhe haben. Dasselbe gilt ebenfalls für die Dimensionen Länge und Breite, da sich hier Abweichungen sogar aufsummieren und das Druckbild völlig zerstören können. Die größtmögliche Präzision erreichte Gutenberg letzendlich, indem er alle Drucklettern aus Metall herstellte, die alle mit Hilfe der gleichen Form gegossen wurden.

Daneben wandelte er auch das bislang gängige Druckverfahren ab: anstelle die Farbe durch Abreiben auf das Papier aufzutragen, wie es bei Holzschnitten üblich war, verwendete Gutenberg eine Druckerpresse, um die Farbe durch gleichmäßigen, hohen Druck auf das Papier zu übertragen. Um 1437 ließ er durch den Mainzer Drechsler Konrad Saßbach eine Drucker- presse nach seinen Entwürfen bauen, die ihrem Äußeren nach eher an eine Weinpresse erinnerte. Zur Produktion seiner Drucktypen ging Gutenberg folgendermaßen vor: Als erstes wurde auf der Stirnseite eines Stahlstabes der betreffende Buchstabe seitenverkehrt und erhaben als sogenannte "Patrize" eingraviert. Dann wurde der Stahlstab mit einem Hammer in weicheres Kupfer getrieben, wobei ein seitenrichtiger, vertiefter Abdruck des Buchstabens entstand, die so genannte "Matrize". Die Matrize diente als Gussform für die eigentliche Drucktype. Dazu musste sie exakt in ein Gießgerät einjustiert werden und wurde mit einer Bleilegierung (etwa 83% Blei, 9% Zinn, 6% Antimon und jeweils 1% Kupfer und Eisen) ausgegossen. Wichtig bei der Wahl der Legierung war, dass diese einerseits nach dem Guss schnell erkaltete, um so eine zügige Produktion zu gewährleisten, und andererseits nicht an den Seitenwänden der Gussform oder an der Matrize kleben blieb. Hierbei konnte Gutenberg auf seine Berufserfahrung als Goldschmied mit Metallen und Metallbearbeitung zurückgreifen. Das von ihm entwickelte Handgießinstrument war dann in der Lage, stündlich bis zu 100 Satzlettern zu produzieren.

Zum Erstellen der Druckvorlage wurden vom Setzer zunächst die Typen für eine einzelne Zeile in einem Winkelhaken zusammengetragen. Um zu gewährleisten, dass alle Zeilen in etwa die gleiche Länge aufweisen, wurde so genanntes Blindmaterial zwischen die Typen eingebracht, um so die Abstände zwischen ihnen auszugleichen und um einen Blocksatz zu erzielen. Die einzelnen Zeilen wurden in einem Setzschiff zu Spalten bzw. zu ganzen Seiten zusammengefasst. Dabei wurde der Zeilenabstand durch weiteres Blindmaterial korrigiert. Der fertig gesetzte Druckstock wurde dann mit Druckerschwärze (auch eine eigenständige Entwicklung Gutenbergs, hergestellt aus Lacken, Ölen, Holz, Lampenruß, Pech und Firniss) mit Hilfe eines ledernen Farbballens eingefärbt und in die Presse gelegt, in der ein befeuchteter Papierbogen bedruckt wurde. Dazu wurde der Papierbogen mittels Nadeln (Punkturen) in einem klappbaren Deckel fixiert, über den zum Druck noch ein weiterer Rahmen geklappt wurde, damit die nicht zu bedruckenden Seitenanteile nicht beschmutzt werden.

In der Zeit um 1450 entstand der erste Gutenberg zugeschriebene Druck (wenn auch Datierung und Zuordnung kontrovers diskutiert werden), der nur in einem kleinem Fragment erhalten geblieben ist: ein Gedicht vom Weltgericht in deutscher Sprache nach einem um 1360 in Thüringen verfassten Sibyllenbuch. Es folgen die Mainzer Ablassbriefe, eine Schulgrammatik des Donnatus, ein astrologisches Blatt der Planetenkonstellationen und andere Druckwerke, die jedoch in ihrer Datierung ebenfalls umstritten sind. Gutenbergs erstes repräsentatives Druckwerk, das ihn weit bis über seinen Tod hinaus berühmt machen sollte - die 42-zeilige lateinische Bibel (B42) - entstand in den Jahren 1452–1456. Dabei sollte die für die damalige Zeit schier unglaubliche Zahl von 189 Bibeln gedruckt werden, jede davon mit mehr als 1.200 Seiten Umfang. Erst der Erfolg dieses gigantischen Vorhabens sollte Gutenberg und mit ihm der Drucktechnik den großen Durchbruch ermöglichen.

[Weiter geht es hier mit Teil 3: Gutenbergs Meisterstück]


Weitere Beiträge zur Mediengeschichte im Biblionomicon:

Bibliografische Links:

Sonntag, 13. Februar 2011

Übermut tut selten gut - Chris Priestley 'Uncle Montague's Tales of Terror'

Wenn es mich einmal in eine Buchhandlung verschlägt, und das tut es aufgrund der Ausmaße meines Stapels ungelesener Bücher aktuell nicht allzu oft, habe ich so meine Schwierigkeiten (a) überhaupt wieder meinen Weg hinaus zu finden und (b) dabei nicht allzu viele neue Bücher einzukaufen. Wenn man so durch die Regale und Büchertische schlendert, fallen einem natürlich zuerst alle möglichen Buchcover ins Auge. Zwar darf man ja - wir wissen es alle - ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen, doch trifft diesen - neben zahlreichen weiteren Faktoren - ein nicht unbedeutener Anteil daran, dass einem ein Buch überhaupt erst ins Auge fällt und dass man sich für seinen Inhalt zu interessieren beginnt. So geschehen auch im Dezember vergangenen Jahres, als ich seit längerer Zeit wieder einmal durch die Etagen des Berliner KulturKaufhauses Dussmanns streifte....

Zu allererst fiel mir dieses wirklich wunderbar von David Roberts gestaltete Cover ins Auge. Als ich das kleine Taschenbuch dann in der Hand hatte und den faszinierend vielversprechenden Titel 'Uncle Montague's Tales of Terror' las, fing ich an zu blättern und war um so freudiger überrascht, als ich feststellen musste, dass Chris Priestleys Buch noch zahlreiche weitere Tusche-Illustrationen des Zeichners enthielt. Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt. Edgar besucht gerne seinen Onkel Montague, der zusammen mit dem Diener Franz ein altes Haus hinter dem Wald bewohnt. Wir wissen nicht, ob es aus übertriebener Sparsamkeit geschieht, aber das Haus ist meist nicht sonderlich gut beleuchtet. Im Kamin brennt ein flackerndes Feuer und die spärlich zum Einsatz kommenden Kerzen sorgen gemeinsam mit den vielen Schatten und seltsamen Geräuschen des alten Hauses von Anfang an für eine ziemlich schaurige Atmosphäre.

Edgar und sein Onkel Montague sitzen dann am Feuer, trinken Tee und Onkel Montague beginnt damit, kuriose Geschichten zu erzählen, in denen Kinder meist aufgrund mysteriöser und zwielichtiger Umstände in eine für sie meist schlimme Lage geraten, an der sie selbst aber auch nicht ganz unschuldig sind. Im Zuge des Nachmittages senken sich immer weiter die Schatten, das Haus und seine vermeintlichen Bewohner entwickeln im trüben Dämmerlicht ein zusehends beängstigendes Eigenleben, und bevor es gänzlich dunkel wird, rät Onkel Montague Edgar dringend zum Aufbruch. Als Edgar dann im Dunkeln auf seinem Weg durch den Wald verfolgt wird rettet Onkel Montague die Situation und erzählt Edgar die letzte und vermutlich schaurigste all seiner Geschichten, nämlich seine eigene....

Im englischen Original liest sich das Buch flüssig und stellt sprachlich keine allzu großen Herausforderungen an den Nichtmuttersprachler, da es vermutlich auf junge Erwachsene als Leserkreis zugeschnitten ist. Die kleinen Geschichten sind einfach ideal, um vor dem Einschlafen einen schaurig-schönen Happen der Erzählkunst Onkel Montagues (Chris Priestleys) zu genießen. David Roberts genial getroffenen Tusche-Illustrationen unterstreichen den Charakter dieser einzigartigen kleinen erzählerischen Perle. Ich hoffe, es gelingt auch der deutschen Übersetzung diese schaurig-schönen Stimmungen so stilsicher und punktgenau herüberzubringen. Ein wenig habe ich mich beim Lesen an die kuriosen Schauergeschichten des englischen Großmeisters der Erzählkunst Roald Dahl erinnert gefühlt, die Chris Priestley gekonnt fortspinnt. Sehr schön auch der Warnhinweis auf der Rückseite des Buches:
"This is a seriously scary book - younger readers be warned!"
Fazit: Schaurig schöne Kurzgeschichten im Stil von Roald Dahl, kongenial illustriert und in einem maßgeschneiderten erzählerischen Rahmen zusammengefasst. Dieses Buch muss man im Original gelesen haben!

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Freitag, 4. Februar 2011

Eine kurze Geschichte des Buchdrucks: (1) Drucktechnik vor Gutenberg

Gestern, am 3. Februar vor genau 543 Jahren starb Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, der uns allen dem Namen nach bekannte Erfinder des Buchdrucks. Nicht von ungefähr wurde er aufgrund seiner epochalen und die Neuzeit einläutenden Erfindung 1999 zum "Mann des Jahrtausends" gekürt. Doch lag sein geniales Unternehmen vor allem in der Kombination bereits bekannter Techniken mit neuen Verfahrensweisen. Vor allem aber war es seine unternehmerische Großtat, die in der für die damalige Zeit wahnwitzigen Idee bestand, mehr als 100 Prachtbibeln zu produzieren, die es in ihrer Ausstattung mit den prächtigsten Handschriften aufnehmen konnten, die seinen Ruhm noch heute unter Beweis stellen.

Die Geschichte der Druckkunst lässt sich bis in das 9. Jahrhundert in China zurückverfolgen. Der älteste erhaltene Buchdruck stammt aus den buddhistischen Mönchshöhlen Dun-Huang im westchinesischen Turkestan. Es handelt sich um ein buddistisches Sutra mit Illustrationen, das im Jahre 868 hergestellt wurde, gut 100 Jahre nachdem man schon in Japan (heute allerdings verschollene) Bücher gedruckt hatte.Zudem sind bereits hölzerne Druckstöcke aus China bekannt, die bereits aus dem 6. Jahrhundert stammen. Sie wurden von buddistischen Priestern hergestellt, die religiöse Darstellungen in Holz schnitten, einfärbten und auf Seide oder Hadernpapier druckten. Als Stempel dienten dabei hölzerne Würfel und Täfelchen. Es ist überliefert, dass die Druckstöcke jeweils direkt und ohne Vorlage geschnitten wurden, so dass der Drucker erst am fertigen Ergebnis die Qualität seiner Arbeit begutachten konnte. Eine nachträgliche Korrektur des Druckstocks war nicht mehr möglich. Diese Technik des Holzschnitts gilt als das älteste grafische Druckverfahren.

In der chinesischen T'ang-Zeit (615--906 n. Chr.) kam man im 9. Jahrhundert erstmals die Idee auf, ganze Bücher zu drucken. Da man an der Authentizität alter überlieferten Texte zu zweifeln begann, beschloss man, die als zweifelsfrei echt anerkannten Fassungen dauerhaft in Stein zu gravieren. Dem bereits bekannten Holzdruck folgend wurden anschließend auch Druckplatten in Spiegelschrift gefertigt, um die kulturell bedeutsamen Schriften entsprechend vervielfältigen zu können. Zu einer ersten regelrechten Blüte des Buchdrucks kam es in China dann ab dem 10. Jahrhundert.

Der Druck mit beweglichen, aus Ton geformten Lettern geht auf den chinesischen Alchimisten und Drucker Pi Sheng zurück, der in den Jahren 1041--1049 seine Kunst ausübte. Die fehlerlose Übertragung der Texte auf den Druckstock war dabei von erheblicher Bedeutung. Ein einzelner Schnitzfehler machte einen der traditionellen aus einem Holz- oder Steinblock gefertigten Druckstock unbrauchbar. Pi Sheng kam daher auf die Idee, einen Schriftsatz aus Standardtypen zu entwickeln, die in Serienfertigung herstellen ließen. Dabei wurden jeweils einzelne Ideogramme der chinesischen Schrift aus Lehm in negative Formen gepresst und anschließend gebrannt. Die fertigen Typen wurden in einem Eisenrahmen zu ganzen Sätzen zusammengefasst, die mit einer klebrigen Masse zu einer vollständigen Seite fixiert wurden.

Beim bereits zu dieser Zeit auch in Europa bekannten Holzschnitt handelt es sich dagegen um eine sogenannte Hochdrucktechnik, d.h. die erhabenen Teile des Druckstocks werden eingefärbt und auf den zu bedruckenden Stoff abgerieben. Zur Herstllung des dazu benötigten Druckstocks wurde ein Holzblock in eine 2--4 Zentimeter starke Platte geschnitten, deren Faser in Richtung der Bildfläche verlaufen musste (Langschnitt), die anschließend sorgfältig gehobelt, geschliffen und geglättet wurde. Nachdem zuerst seitenverkehrt eine Vorzeichnung auf den hölzernen Druckstock aufgebracht wurde, erfolgte die Eintiefung der nichtdruckenden Teile des Bildes. Dabei wurden die vorgezeichneten Linien mit verschiedenen Messern möglichst exakt umschnitten. Die übrig gebliebenen Holzstege des Bildes wurden mit Hilfe eines mit Farbe getränkten Ballens oder durch Überrollen mit einer Walze eingefärbt und auf einen ungeleimten, leicht befeuchteten Papierbogen gedruckt, der über den Druckstock gelegt und mit einem Stoffballen abgerieben wurde.

Meist wurden die Holzschnitte nur einseitig bedruckt, da die Farbe durch das zum Drucken befeuchtete Papier durchschlug. Ein einmal geschnittener Holzstock konnte so bis zu mehrere hundert Male zum Drucken verwendet werden. Wurden mehrere Einzelblattdrucke zu einem kleinen Buch zusammengefügt, so entstand ein so genanntes Blockbuch.

Als im 14. Jahrhundert in Europa das Papier als kostengünstiger und massenhaft produzierbarer Beschreibstoff aufkam (siehe Biblionomicon 'Eine kurze Geschichte des Papiers') wurde mit diesem auch die Technik des Holzschnitts importiert. Dargestellt wurden darin häufig biblische oder theologische Themen, allerdings meist in bildhafter Form, da der Großteil der damaligen Bevölkerung des Lesens und Schreibens nicht mächtig war (siehe Biblionomicon 'Kurze Kulturgeschichte des Lesens'). So wurden in Zeiten der Pest sogenannte "Pestblätter"gedruckt, auf denen die als Pesthelfer verehrten Heiligen zusammen mit Gebetstexten und medizinischen Ratschlägen abgebildet waren. Daneben spielten als Holzdruck produzierte Flugblätter in der Zeit vor Gutenbergs Erfindung eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Nachrichten. Aber auch nach der durch Gutenberg ausgelösten Druckrevolution verlor der Holzschnitt zunächst nichts von seiner Bedeutung, da er immer häufiger zur Buchillustration eingesetzt wurde. So beinhaltet die 1493 erschienene "Schedelsche Weltchronik" des Nürnberger Druckers Anton Koberger knapp 2.000 Holzschnittillustrationen.

Seinen ersten künstlerischen Höhepunkt in Europa erreichte der Holzschnitt mit den Werken Albrecht Dürers (1471--1528), der den Holzschnitt von der reinen Buchillustration befreite und mit bis dato nicht gekannter technischer Reife als eigenständiges Kunstmedium etablierte.
Die im 15. Jahrhundert aufkommende Tiefdrucktechnik des Kupferstichs erlaubte dann auch eine stärkere Differenzierung der Tonwertstufen des dargestellten Bildes und damit eine nuanciertere künstlerische Darstellung.

[Weiter geht es hier mit Teil 2: Die Gutenberg'sche Druckrevolution]


Weitere Beiträge zur Mediengeschichte im Biblionomicon:

Bibliografische Links: