Samstag, 30. August 2008

Torsten Kroll: Callisto oder die Kunst des Rasenmähens

Was für ein Titel für ein Buch..."Callisto oder die Kunst des Rasenmähens". Natürlich weckte es in mir erst einmal die Assoziation zu Pirsigs Meisterwerk "Zen oder die Kunst ein Motorrad zu warten", in dem ein College-Dozent über Platon, das Motorradfahren und das Leben an sich philosophiert. Aber eigentlich haben die beiden Bücher doch so gut wie nichts gemeinsam....

Callisto, das ist ein kleiner Ort mitten im großen Nichts im US-amerikanischen Kansas (Hallo Dorothy...ein erster Hinweis auf den 'Zauberer von Oz'?). Nun, nach Callisto verschlägt es den nicht besonders hellen Odell Deefus, dessen altersschwaches Auto auf dem Weg zum Rekrutierungsbüro liegen bleibt. Im nächsten Haus an der Straße stößt er auf Dean, einem zunächst etwas seltsamen Zeitgenossen, der aber Odell bei seiner Panne behilflich sein möchte. Beide scheinen sich anzufreunden - auch wenn Dean nicht verstehen kann, warum sich Odell freiwillig in den Irak-Krieg melden möchte - aber nach einem gemeinsam durchzechten Abend springt Odell in Deans mobilen Rasenmäh-Service als Ersatzmann ein. Doch als Odell hinter dem Haus ein frisch ausgehobenes Grab (noch ohne Inhalt) entdeckt, wird er misstrauisch und legt sich sicherheitshalber den Baseball-Schläger neben seine Schlafcouch. Als er von Dean unversehens in der Nacht geweckt wird -- Dean glaubt einen Einbrecher gehört zu haben und steht mit der Schrotflinte bewaffnet an Odells Couch -- wähnt sich Odell in Todesangst und zieht Dean den Baseballschläger über den Schädel....

OK, klar, dass das nicht ohne Folgen bleibt. Zwar scheint Dean noch am Leben, aber eben höchstens noch gerade so. Das Haus, in dem die beiden sich befinden, gehört eigentlich Deans Tante. Die wäre laut Dean angeblich in Florida im Urlaub. Als Odell am nächsten Tag wieder als "Rasenmähermann" einspringt, wird er zuhause von einem Geistlichen erwartet, der ihn für Dean hält und sich angeblich im Auftrag der Tante nach Deans seltsamen Bedürfniss zu erkundigen, zum Islam zu konvertieren. (Klingt schon ziemlich schräg, oder....?). Daraufhin lernt Odell auch noch Deans (der mittlerweile den kümmerlichen Rest seines Lebens nach der Baseballschlägerattacke ausgehaucht hat) Schwester, die (zumindest in den Augen Odells) attraktive Gefängnisaufseherin Lorraine kennen und gerät unversehens in Drogengeschäfte, die Lorraine zusammen mit ihrem (jetzt verstorbenen) Bruder zur Versorgung der Gefängnisinsassen aufgezogen hat. Als Odell in der wohlgefüllten Tiefkühltruhe im Keller nach einer neuen Pizza kramt, lernt er den wahren (und ziemlich frostigen) Aufenthaltsort von Deans Tante kennen und ahnt, dass das im Garten ausgehobene Grab gar nicht für ihn bestimmt war. Jetzt fängt das Ganze an noch schräger zu werden.

Odell hatte das Grab zugeschaufelt, aber bei den Ermittlungen der Polizei wird das (leere) Grab wieder auf- und erneut zugeschaufelt. Jetzt beschließt Odell Deans Leichnam, der mittlerweile langsam in Verwesung begriffen ist, eben dort unterzubringen, da die Polizei das Grab ja bereits überprüft hatte. Doch am nächsten Tag soll das Grab zum Zweck der beim ersten Mal vergessenen Videodokumentation erneut ausgehoben werden. Also wandert Deans Leiche in der Nacht wieder aus dem Grab heraus (ausschauffeln, zuschauffeln), das Grab wird am nächsten Tag erneut ausgeschauffelt und wieder zugeschauffelt (zum Zweck der Videodokumentation) um danach wieder erneut ausgehoben zu werden, da Dean ja schließlich irgendwo bleiben muss....Hatte ich erwähnt, dass mittlerweile herausgekommen ist, dass Dean eigentlich schwul war (ein kompromittierender Videomitschnitt beim Karaokesingen in einer Schwulenbar ist aufgetaucht).

Dann war da ja noch diese Sache mit dem Islam. Dean wollte anscheinend konvertieren (doch eigentlich sagte er das nur, um seine Tante zu ärgern...), aber Odell bauscht die Sache auf, um auch einmal im Mittelpunkt der Medien zu stehen und fortan besitzt Calisto, Kansas, jetzt auch seine eigene, brandgefährliche islamistische Terroristen-Zelle und das FBI und der Heimatschutz schalten sich ein. Selbst ein ultrageheimer nicht näher genannter Dienst mit einem Geheimagenten namens 'Jim Ricker' tritt auf und sendet Odell verschlüsselte Botschaften über dessen Handy (Dieser Jim Ricker ist es auch, der in gewisser Weise die Rolle des 'Zauberers von Oz' einnimmt...). Odell verstrickt sich zusehend im von ihm selbst ausgelegten Netz. Am Ende gerät er gar selber in Verdacht, der gesuchte Top-Terrorist zu sein, ein Weg, der ihn sogar bis nach Guantanamo (auch wenn der Namen des Ortes nicht genannt wird) bringen wird....

Kann das gut ausgehen? Wie kann sich der mit nicht allzu reichlichen Geistesgaben ausgestattete Odell aus diesen Verstrickungen wieder befreien? Dabei habe ich gerade ja nur einen kleinen Teil des komplexen Plots aus Irrungen und Wirrungen ausgelegt. Jede Hauptfigur scheint ihren eigenen Interessen zu folgen - und die sind oftmals alles andere als legal. Callisto, das scheint eine wahre Mördergrube (wie der Covertext verspricht)...und mit Terrorismus ist ja schließlich nicht zu spaßen.....

Wirklich, die Abenteuer Odells sind schon ziemlich schräg, aber lustig. Verpackt wird das ganze mit einer derben Kritik am US-amerikanischen Umgang mit Andersdenkenden und der vorherrschenden Terrorismus-Paranoia. Alle halten Odell für etwas zurückgeblieben (Forrest Gump lässt grüßen), aber er ist ja kein schlechter Mensch, daher gelingt im auch das schier unglaubliche, nämlich aus der ganzen Sache (mehr oder weniger) heil wieder heraus zu kommen. Sollte ich es mit einer Zeile zusammenfassen, dann käme dabei heraus "Forrest Gump meets the Coen Brothers". Würde mich auch wirklich nicht wundern, wenn das Buch in diesem Stil verfilmt werden würde ;-)

Fazit: Ein kurzweiliges Lesevergnügen mit hintersinniger Zeitkritik, dabei manchmal auch etwas zuviel des Guten. Aber für Liebhaber der humorvollen Unterhaltung ein Lesetipp!

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